The Fault in our Stars – Ist das Schicksal wirklich ein mieser Verräter?
Beate Kohlmeyer|Allgemein|16. Juni 2018
Kürzlich besuchte ich meine Freundin Angelika, die mir seit vielen Jahren treue Weggefährtin und geliebte Vertraute ist – m-ein Erdengelein eben!
Wir sind unzählige Wege gemeinsam gegangen – sogar den Camino de Santiago.
Wir erlebten gemeinsam lichtdurchflutete Strecken, auf denen die Sonne uns wärmte und streichelte.
Und wir haben einander durch manch dunkle Nacht getragen…..
Wir stehen ganz dicht, Seite an Seite, Herz an Herz – und noch nie hat ein Lebensumstand diese innige Umarmung unser beider Leben auch nur um einen Zentimeter verrücken können.
Bis zum letzten November.Da erzählte sie mir von ihrem großen Doppelglück, einen neuen Mann und eine neue Arbeitsstelle gefunden zu haben.
Normalerweise hätten wir wohl gemeinsam eine Party feiern mögen, aber es begab sich so, dass ich zur selben Zeit meine Krebsdiagnose erhielt.
Diese ungleichen Umstände führten spontan und unwillkürlich dazu, dass ich mich im Inneren quasseln hörte: “Die einen kriegen Mann und Arbeit, die anderen Krebs – wie ungerecht!!!”
Als ich diesen Gedanken in unserem letzten Gespräch nochmal aufgriff, sagte meine Freundin: “Das ist einfach Schicksal.“
„Schicksal also – was ist das eigentlich?“, überlegte ich.
Schicksal ist mir Zugeschicktes – das verrät das Wort bereits.
Es kommt – von zahlreichen Ursachen vorbestimmt – bei mir als Empfänger an, und ich kann die Sendung nicht verweigern – ob mir der Inhalt nun gefällt oder nicht.
Schicksal entzieht sich also im hohen Maße unserem Handlungsspielraum.
Und das gilt für alle Menschen.
Schicksalsschläge schlagen zu, indem sie eines der wichtigsten Prinzipien unseres Wohlbefindens außer Kraft setzen: Die Kontinuität nämlich.
Sie erinnern uns daran, dass alles, was wir zu besitzen glauben nur Leihgaben sind.
Diese geschickten Schläge lassen uns zuweilen hadern und kämpfen wie Don Quichotte gegen Windmühlen.
Aber sie können uns nicht die Freiheit nehmen, in wirklich jeder Situation die Einstellung zu wählen, die uns hilft – und am Ende wohl möglich sogar versöhnt.
Versöhnung finden.
Nach dieser Einstellung fahnde ich jetzt.
Über die Jahre bin ich mit einer ganz feinen Spürnase ausgestattet.
Dieses Näschen weiß inzwischen: Auch das Hadern, das Zweifeln, die Trauer und die Wut sind not-wendige Bestandteile auf dem Weg.
Ich schau mir alles an.
Ich achte auf alle Gefühle, die mich bewohnen und lasse sie sein.
Ich teile sie mit und stehe zu mir, aber ich kann und will auch weitergehen.
Ich darf mich ungerecht behandelt fühlen und stinksauer sein auf diesen zuweilen miesen Verräter namens Schicksal.
Ich darf ihn lauthals anmotzen: “Heute fühle ich mich von dir verraten.“
All das ist Psychohygiene und innerseelische Reinigung für mich.
Aber ich werde hier nicht stehen bleiben. So wie mein Leben nicht stehen bleibt.
Ich schenke mir all mein Mitgefühl in dieser schwierigen Situation, ich verzichte auf Selbstverurteilung und akzeptiere, dass es Höhen und Tiefen gibt – in jedem Leben.
Ich bedaure zutiefst, dass die Umstände so sind, wie sie sind, aber ich bin bereit, sie zu akzeptieren.
Ich werde lernen, selbst gut und gerecht zu mir zu sein und mich in etwas Neues traue-r-n.
Ich schaue, wie ich das Beste aus meiner aktuellen Lebensrealität machen kann.
Dazu gehört sicher, einen geistigen Rahmen zu ersinnen, der über den Horizont der innerweltlichen Vergleichbarkeit hinausgeht.
Der direkte, situative Vergleich mit dem Schicksal meiner Freundin hatte mich schließlich beschwert.
Ich suche hingegen nach Konzepten, die mich nachhaltig erleichtern.
Das Schicksal ist in Ordnung.
In der Philosophie der alten Griechen repräsentiert das Schicksal eine alles Sein bestimmende höhere Ordnung.
Dieser Gedanke schafft auch Ordnung in mir.
Der schafft das.
Ich schaffe es nämlich nicht, mich von der Gerechtigkeit des Schicksals zu überzeugen, wenn ich mein Leben rein innerbiographisch bilanzieren möchte.
Also suche ich auch transzendental.
Ob diese Suche Glaube genannt wird oder magisches Denken ist für mich gleich-gültig. Mir geht es einzig um die sinnvolle positive Wirkung.
Als Viktor Frankl gefragt wurde, wie er drei Konzentrationslager und den Verlust fast aller Familienmitglieder überlebte, antwortete er sinngemäß:
„Es war mein bedingungsloser Glaube an einen letzten Sinn, der uns zwar verborgen sein mag,
aber er ist da.”
Finde einen Sinn – egal wo.
Wer den Geschehnissen einen Sinn gibt, überlebt sie am ehesten.
Dieser Sinn kann nicht von außen angefertigt werden, er will im eigenen Inneren entdeckt werden.
Dieser Sinn muss nicht von uns gesucht werden, er kann von uns erschaffen werden, indem wir uns fragen:
Wie kann ich das, was mir zugestoßen ist, für etwas Gutes nutzen….?“
Wenn uns das gelingt, wenn wir das Leid, dank unserer geistigen Haltung überwinden, werden wir wohl möglich verstehen, was Albert Camus meinte, als er schrieb:
„Mitten im Winter habe ich erfahren, dass es in mir einen unbesiegbaren Sommer gibt.“
An diesem ausgesprochen hoffnungsvollen, Mut machendem Bild der menschlichen Seele will ich mich orientieren.
Während das Schicksal seinen Lauf nimmt.
Wie gehst du mit Schicksalsschlägen um?
Was gibt dir Halt in Krisen?
Über deine inspirierende Rückmeldung freue ich mich vom Herzen,
deine Beate Kohlmeyer